Manchmal erfasst ein Reggae den Rock ’n‘ Roller wie eine Welle, in deren silbern-weißer Gischt Perlen des Glücks katapultiert werden, als wollten sie alle Ängste, alle Zweifel hinfortwaschen. Manchmal ist die Strahlkraft der Musik unerklärlich groß, wenn sie so sehr in die Tiefe reicht, dass sie erst wieder als Tränen in den Augen an die Oberfläche zurückkehrt, salzige Spuren auf unseren Wangen hinterlässt, die als Glyphen von Liebe und Zuneigung künden. Manchmal vermag ein Rhythmus, eine Harmonie, eine Stimme zum Leuchtfeuer der Hoffnung auf eine bessere Welt werden zu können, aus der Sekunde heraus in tausend Jahre vorausstrahlend. Manchmal …

Dieses Manchmal kenne ich. Mit meinem rockend-pochenden Herz überschreite ich die Brücken rollingstones‘schen Gepräges (viel zu) selten, aber ich bin dazu bereit, bereit, mich vom Urwuchs des Beats herauszueisen, um neue Felder der musikalischen Begegnung zu beackern, in beachtlicher Distanz zu „Rock ’n‘ Roll Damnation“, „Little wing“ oder „Gimme shelter“.

Meine Seele, sie verschließt sich nicht gegenüber anderen Sounds, auch nicht gegenüber der Klassik. Da ist also diese kurze Sequenz in Gustav Holsts „Jupiter“, die etwa bei Minute drei beginnt und von der ich glaube, dass die dann folgenden 120 Sekunden den vulkanischsten Gefühlsausbruch bedeuten, den die Musik jemals in mir lospolterte. Ja, und dann hörte ich „Bunter Asphalt“, irgendwann im Spätsommer, und es war, als flösse Lava durch meine Schlagader. Reggae oder World-Music, es ist schlecht einzuordnen, jedenfalls ist es das ganze Gegenteil von Holsts Jupiter und Thin Lizzys „The boys are back in town“. Was es aber vor allem ist: Poesie!

Viele bunte Farben
Der Asphalt erzählt Geschichten, deine Häuser tragen Narben.
Fête de la musique,
ja, wir schreiben unsre Namen
Mit Liebe auf die Straße,
dass uns niemand vergisst.

Man mag es mir nachsehen, dass ich dem DJ- und Produzenten-Team Jugglerz aus Konstanz nie zuvor begegnet bin. Jetzt aber, ergriffen die Augen unter Wasser, weil Sänger Dellé (einer aus der Band Seeed) die vielen bunten Farben mit jeder Silbe in den Himmel malt, bin ich geflasht von der Kraft dieser leichten Schwere.

Denn ja: Asphalt erzählt Geschichten, nicht allein in Berlin (das ist hier gemeint), nicht nur in Städten, nein, überall, wo unsere Wege sich kreuzen und unsere Füße goldene Spuren von Frieden und Freundschaft hinterlassen. Und die Narben der Fassaden sind wie die unseren: mit der Zeit aus Wunden geboren. Die wenigsten mit dem Auge erblickbar.

„Bunter Asphalt“ ist ein zutiefst berührender Lobgesang auf die Freiheit, fast wie eine vergnügte Waffe gegen den Hass auf der Welt – die uns schluchzend fröhlich tanzen lässt. Selten zuvor knisterten die Sterne lauter.