Otis Reddings musikalisches Erbe ist größer als sein nach Schweröl, Tang und Fisch aromatisch fein duftendes Stück, das sich an den Docks abspielt und den Blick auf die Schiffe freigibt. Jener Musiker, der im Alter von 26 Jahren bei einem Flugzeugabsturz 1967 ums Leben kam und posthum zu einem einflussreichen Soul-Sänger wurde, wird stets mit dem entspannten „(Sittin‘ on) The dock of the bay“ in Verbindung gebracht, aber wenn wir uns bemühen, tiefer in die musikalische Materie dieses Künstlers einzutauchen, entdecken wir weitere Perlen am Grund seines Schaffens, von denen eine den Titel „Try a little tenderness“ trägt und die übrigens im Film „Duets“ (mit Huey Lewis und Gwyneth Paltrow) im Jahr 2000 zu neuen Ehren kam, weil Paul Giamatti und Arnold McCuller sie so intravenös wirkend interpretieren, dass Kinobesuchern der Schweiß ausbrach.

Giamatti ist Schauspieler, McCuller Sänger und zum Beispiel bei Shows im Background von Phil Collins unverrückbarer Turm, aber ich schweife ab. Jedenfalls trägt diese Nummer ein Kleid voller saftiger Sanftheit und Sentimentalität, ohne den Eindruck zu erwecken, von einem Schmonz-Infekt befallen zu sein. Fiebrig röchelt Otis Redding Zeilen voller Zärtlichkeit, schmurgelt sich flauschig zwischen Blasinstrumentenintro, Akustikklampfe und Orgel; aus anfänglicher Einsamkeitsmelancholie wird Gemeinschaftsmelodie. Der King of Soul singt und fleht, als gäbe es kein Morgen.

Es ist ein Kniefall vor der Liebe, der Liebe zur Musik und jener, die die größte des Lebens sein kann. Gitarre, Orgel und Klavier spielen sich in einen Rausch, und (be)rauschend wie die Wellen, die der Sänger auch von seinem Sitzplatz aus an den Docks besingt, öffnet er hier Ohren und Herz. Stimmlich hart auf Kante gesetzt, überschreitet er nicht die Grenze, sondern hält Spur Richtung Glück. Immer schön vorsichtig, getreu dem Motto:

Try a little tenderness,
yeah, yeah

Genau: yeah, yeah!