Hameln-Pyrmont (ey/ul). Wochenmärkte sind wie Zuversicht: Sie bieten überwiegend regionale Produkte und sind zusätzlich ein Ort der Begegnung. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat ihre Bedeutung noch größer werden lassen – und immer mehr jüngere Menschen folgen den Spuren der Frische unter freiem Himmel. Eine Wochenmarkt-Tour.

400 PS stark, 18 Tonnen schwer und mit Zugmaschine alles in allem 16,40 Meter lang: Wenn Birgit und Konrad Steinlage auf dem Hamelner Rathausplatz mit ihrem neuen Käse-Nuss-Genuss-Truck vorfahren, müssen sie mit die Ersten sein, die ihren Stand aufbauen. „Andernfalls würde das Einparken nicht funktionieren.“ Die Steinlages, seit über fünf Jahren feste Größe des mittwochs und samstags stattfindenden Freilufteinkaufsvergnügens, haben mit ihrer Entscheidung, einen Sattelschlepper dieser Größe anzuschaffen, einen überdeutlichen Akzent gesetzt. Gewissermaßen ein Ausrufungszeichen für die Bedeutung des Wochenmarkts grundsätzlich, der gerade auch in Zeiten der Pandemie für Sicherheit und Halt sorgt, auch ohne Zweifel in psychischer Hinsicht. Aber Wochenmärkte befinden sich im Wandel, und wo Licht ist, da ist auch Schatten.

„Der Ulli“ macht Schluss nach über 50 Jahren

Denn kaum da der goldfarbene, auffällige Lastkraftwagen seinen Platz gefunden hatte, verkündete Pflanzenhändler und Florist Ulrich „Ulli“ Sporleder das Ende seiner Wochenmarktzeit in Hameln. Nach über 50 Jahren, in denen die Sporleders aus Hehlen den Verkauf unzähliger Sträuße, Gestecke, Stauden und Gehölze oft mit einem netten Plausch verbanden, eine Epoche, in der „der Ulli vom Markt“ immer auch ein Lächeln für nette Kunden übrig hatte, vollzieht der Familienbetrieb einen Generationswechsel.

Nachfolger Johannes Sporleder wird in die Fußstapfen seines Onkels treten und zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder Bastian, der sich um den Garten- und Landschaftsbau kümmert, die Gärtnerei weiterführen. Für den Wochenmarkt bedeutet dies, dass die Gärtnerei Sporleder am 24. Dezember, Heiligabend, das letzte Mal ihren Stand aufbauen wird. „Wir haben uns diesen Schritt wirklich nicht leicht gemacht. Nach vielen schlaflosen Nächten und Kopfzerbrechen haben wir entschieden: Ohne Ulli können wir den Marktstand nicht mehr erhalten“, erklärt Johannes Sporleder.

Sein Onkel geht in den Ruhestand. „Ich bin für mein Leben gerne zum Markt gefahren. Der persönliche Kontakt zu unseren vielen Stammkunden und auch zu den anderen Marktkollegen wird mir sicherlich fehlen. Der Wochenmarkt ist schon etwas Besonderes!“, sagt er. Nicht ohne übrigens darauf hinzuweisen, „dass nur noch ein Blumenhändler übrig – und für die Größe des Hamelner Wochenmarktes zu wenig ist“.

Norbert Meyer sieht das genauso. Als einer der Sprecher der IG Wochenmarkt macht er allerdings Hoffnung: „Es laufen Gespräche. Ich bin guter Dinge, dass wir wieder einen Blumenhändler dazubekommen.“ Es wäre so schön wie dringend notwendig, allein schon aufgrund des gestiegenen Interesses am regionalen Open-Air-Einkauf, das man auch in Bad Pyrmont feststellt.

„Seit der Corona-Pandemie ist mehr los auf dem Wochenmarkt. Die Besucher schätzen das Gespräch mit den Standbetreibern und freuen sich über die sozialen Kontakte, die sie dort trotz Abstandsregeln pflegen können“, sagt Michaela Hanke von der Wirtschaftsförderung der Stadtverwaltung Bad Pyrmont nach Rücksprache mit den Marktmeistern.

In der Tat: Das Publikum verjüngt sich, das tut den Frischemeilen gut. „Die Besucher kochen seit der Pandemie mehr zu Hause“, ist sich Michaela Hanke sicher. Das Dutzend Stände (samstags auch ein paar mehr) an der Luisenstraße nahe der Herderschule zwischen Oesdorfer und Humboldtstraße böte Frische in Form von Gemüse, Obst, Blumen, Fisch, Fleisch und Backwaren.

In Hameln ist der Wochenmarkt ungleich größer, gewissermaßen das Zentrum der Frischemeilen in Hameln-Pyrmont. Auch dort: eine gute Bilanz. „Wir Händler stellen fest, dass der Wochenmarkt immer mehr jüngere Menschen anlockt. Das ist gut. Denn wo der Generationswechsel bei vielen Markthändlern sich gerade verstärkt vollzieht, da muss er dies auch bei den Kunden tun – und genau dies hält den klassischen Wochenmarkt jung“, sagt Marktsprecher Norbert Meyer.

Dass „ein sehr erfahrener Händler wie Ulli Sporleder“ in Zukunft nicht mehr dabei sein wird, sei fraglos ein Einschnitt. Dass aber die Käse-Spezialisten aus Rietberg mit einem „wahnsinnig tollen Truck“ zweimal pro Woche vorrollen, trage zur Modernisierung der Meile bei; weitere, jüngere Käuferschichten werden angelockt. „Der Klassiker Wochenmarkt hat Zukunft“, so Meyer. Eine Zukunft, die es aber leider nicht überall gibt. So ist in Coppenbrügge vor mehr als einem Jahr aufgrund schwindenden Interesses der letzte Stand geschlossen worden. Wird ein Markt zu klein, wirft er zu wenig für die übrig gebliebenen Händler ab.

Eine Gemeinde weiter, in Salzhemmendorf, funktioniert‘s weiterhin gut. Mittwochs zwischen 8 und 13 Uhr trifft man sich dort, direkt am Rathaus, wo ungefähr 15 Stände regionale Erzeugnisse anbieten. Man trifft sich nicht nur zum Einkaufen, sondern auch zum Klönen. In direkter Marktnähe stehen kostenfreie Parkplätze zur Verfügung. Aragues Carlos Bremer, Niederlassungsleiter der deutschen Marktgilde für den Raum Hannover und Ostwestfalen Lippe und damit Betreiber des Wochenmarktes Salzhemmendorf, sagt: „Für die Marktbeschicker hat sich die Pandemie positiv ausgewirkt, weil die Menschen lieber im Freien einkaufen. Frische Ware und eine gute Beratung zu den Produkten sowie viel geringere Ansteckungsgefahr im Freien tragen dazu bei. Die Kunden sind außerdem auch froh, mal jemanden zu treffen.“ Der Markt sei immer auch ein sozialer Treffpunkt, so Bremer.