Wow, ein toller Künstler! Buddy Guy ist der lebende Beweis dafür, dass es möglich ist, acht Grammys einzuheimsen und trotzdem bei den meisten Musikfans, selbst bei Kennern der Szene, seit Jahrzehnten, ach was schreibe ich, seit über einem halben Jahrhundert komplett unterm Radar zu fliegen! Ein Bluesmusiker, der noch mit Muddy Waters und Howlin‘ Wolf die Sterne vom Himmel klampfte.

Immer noch in Fleisch und Blut im 21. Jahrhundert – ich verneige mich vor diesem Typen, der dem quälenden Schreibölk des schrecklich übermotivierten „Shine A Light“-Live-Albums der Rolling Stones 2008 mit seinem Gastauftritt wenigstens ein Fünkchen Würde verlieh. Vielleicht haben die Glimmer-Twins Keith und Mick auf seinem 2018er Album „The Blues is alive and well“ deshalb vor lauter Dankbarkeit mitgewirkt, wer weiß.

Fakt ist: Buddy Guy ist jetzt 87 Jahre alt und hat schon wieder ein neues Album veröffentlicht. Ich hätte selbstredend zig andere Songs aus der Schatulle seines Klangkosmos’ herausorgeln können, „Feels like rain“ wäre die Sache wert gewesen, auch das wie heißer Wüstenwind schneidende, rohe „Living proof“. Aber nein, ich gehe auf volles Fanrisiko und klamüsere was Guy’les Neues aus dem wie Gold schimmernden Songbook dieses Mannes, der sich als Jugendlicher das Gitarrenspiel bei John Lee Hooker abgeschaut hatte, ganz ohne Lehrer und Oberlehrer, und im Laufe der Zeit zu einer Ikone wurde.

Ikonisch daher auch dieser Titel: „I let my guitar do the talking“ knetert mit scharfkantigen Riffs, zwölfzylindrig wummernder Basslinie und dynamitknalligen Bläsersätzen bis zum nahezu berserkisch anmutenden Finale, in dem all das große, von funkiger Coolness durchmischte Bluesfeeling dieser explosiven Nummer wie vulkanischer Funkenflug auf uns herabregnet. Wie ein Ruf aus der Wildnis, ungekünstelt, aber mit Schliff. Wie ein schönster Diamant. Buddy Guy, mit Feeling für Feinheiten, singt es leicht brüchig, dem Alter geschuldet, aber hingebungsvoll, während Tastenteufel Reese Wynans seiner schweren Hammond B3 gar lustvoll leichte Backgroundbegleitung herausangelt.

Größtes Hörvergnügen als Opener einer sechszehn Songs umfassenden Offenbarung, die das Credo des Albums wie ein Gebet ertönen lässt: „The Blues don’t lie“. Jedenfalls nicht, solange ihn Buddy Guy spielt.