Die silberne Kugel trifft direkt ins Herz: Seit jenem Tage, als mir Bob Seger mit der Silver Bullet Band „Like a rock“ in die Muscheln mölmerte, manifestierte sich in mir das Gefühl, dass dieser Stein, von dem er singt, ihm während der Studioaufnahme wahrhaftig auf der Seele lag. Mit Stimmbändern, die das Relief einer groben Raufaser haben dürften, tapeziert er die Wall of Sound seiner kraftvollen Achtziger-Ballade und macht diesen „Rock“ zu einem Fels in der Brandung der Zeit.

Like a rock,
I was strong as I could be.
Like a rock,
nothin‘ ever got to me.
Like a rock,
I was something to see
Like a rock.

So hart die Schale wirkt, so warmherzig fließen seine Worte zu Beginn im Strom des Liedes, nahezu flüsternd und gesprochen denn gesungen, doch münden sie, begleitet vom steten Groove der Gitarre, kraftvoll in einem Delta, das die Freiheit der offenen See verspricht. „Like a rock“ ist eine Zeitreise, die dort beginnt, wo Bob noch Bobby war, 18 Jahre alt, unerfahren, aber mit einem Rüstzeug ausgestattet, dass sich Charakter nennt. Obwohl nicht klar aus dem Kontext hervorgeht, ob er sich selbst besingt oder einen anderen jungen Mann, bleibt vor allem eines wichtig: dass dieses Lied von den Irrungen des Lebens und davon erzählt, was uns auszeichnen sollte: Rückgrat und Haltung.

Seit einigen Wochen erfreue ich mich nun an den (be-)rauschenden Klängen einer relativ unförmigen Musikmaschine, die noch Musikkassetten abspielt. Auf einer Maxell XLII S, sozusagen die Gottheit unter den Bändern, auf denen wir Rockenden und Rebellen dereinst die Lieder, die uns bewegten, aus dem Radio möglichst ohne Moderatorenreinquatscherei aufnahmen. Ein Mitschnitt. Ich habe über 100 dieser kleinen Magnetbänder, bei denen die 2000er Generation sich fragt, in welchen Computerschlitz das Ding reinpasst… „Like a rock“ ist auf der 17.

Ich vermute, in diesem Fall an einem Donnerstagabend zwischen 19 und 21 Uhr den Aufnahmeknopf gedrückt zu haben, während Moderator Werner Reinke, passenderweise ebenfalls ein Fels, und zwar in der deutschen Radiolandschaft, auf hr 3 (Hessischer Rundfunk) die Hitparade moderierte. Reinke, ganz Gentleman, quatschte selten in die Songs hinein, sondern spielte sie von Anfang bis Ende mit höchstem Respekt. Es muss wohl geregnet haben, nicht unbedingt überm Frankfurter Funkhaus, aber in Königsförde, wo ich in meinem Jugendzimmer saß und mich über den schlechten Empfang ärgerte. Über Antenne war‘s bei Schlechtwetter ein Vabanquespiel. Irgendwie hat‘s aber geklappt.

Und zum Glück kein Falschfahrer unterwegs

Jetzt höre ich es knistern; womöglich sind es aber auch die Synapsen in meiner Murmel, auf denen die Zeit der Achtziger wie ein Film flackert und Bob Seger mit seinem einzigen europäischen Achtungserfolg „Shakedown“ kurzzeitig auftaucht. Ich als Jugendlicher am Radio sitzend und darauf hoffend, dass der Moderator nicht noch mit einer Verkehrsnachricht über einen Falschfahrer Bob Segers kernige Ballade zersemmelt. Nein, Glück gehabt: Ohne Unterbrechung bis zum Ende durchgeorgelt.

Ich bin glücklich, die Musikkassetten behalten zu haben. Was sich darauf befindet, ist bisweilen furchtbar schlecht, meistens gut. Bei „Babababababababa-Banküberfall“ von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung bin ich peinlich berührt, aber „Like a rock“ putzt den blamablen Zwischenfall von der Platte, nein, Kassette. Bob ist top, und sein Fels unverrückbar im Olymp der Rocksongs verankert.