Bryan Adams, kanadische Rockgranate mit einem ausgeprägten Faible für glühende Balladen, woran nichts Verwerfliches zu finden wäre, ist über all die Jahre seinem Stil treu geblieben. Das mag ich sehr. Wie bei den Boogie-Rock’n’Rollern von Status Quo leidet darunter mithin das Songwriting, denn wer sich ständig im Kreis dreht, kommt nicht voran.

Nach Über-Alben wie „Reckless“, „Waking up the Neighbours“ und „18 ’til I die“ habe ich zwangsläufig aber auch nicht auf noch mehr Wundertüten gehofft. Und wer (fast) stromlos auf kleinster Bühne nur von funzeligen MTV-Latüchten erfasst wird und dabei dennoch kein µ Ausstrahlung verliert, muss sich übertriebenes Kritikergeschwafel ohnehin nicht zu Herzen nehmen.

Mit Sand gegurgelt, Scheitel nachgezogen, Gitarre umgehängt und raus aufs wohnzimmerspärlich-beleuchtete Parkett: Nur ein Spot strahlt den Kanadier an, und er strahlt zurück, damals, 1997. Das „Unplugged“-Album knistert in all seinen Facetten, und „Cuts like a knife“, schon im Original zwischen der Hin- und Hergerissenheit aus Verlust und Hoffnung vibrierend, ist das hitzige Energiezentrum einer hochgradig wärmenden Exkursion auf Nylon, Holz und ein bisschen Stahl. Leise beginnt es, nur mit Stimme und Akkord.

Worte, Verse, Blicke werden eins; all das ist wie Schokolade, nicht süß, nur zartbitter. Adams weiß um die Wirkung seiner Röhre; sie ist wie das Lagerfeuer, um das die Zuhörenden sich versammelt haben, und er legt ein Scheit auf das nächste, auf dass jeder Augenblick unermesslich große Bedeutung bekommt.

„Drivin‘ home this evening,
I coulda sworn we had it all worked out.
You had this boy believin‘
Way beyond the shadow
of a doubt, yeah.“

Er(n)ste Zeilen. Der Anfang ist gemacht und fühlt sich an wie Chiliflocken auf Himbeereis. Ich liebe die raue Wechselbeziehung zwischen Stimme und akustischer Gitarre in Verbindung mit rockendem Gestus. Folk und dieser ganze Lagerfeuersimsalabim mögen ihre Berechtigung haben, aber erst dort, wo der Horizont Fiebriges verheißt, wo das feinsaitige Vorspiel in Blitz und Donner überleitet, vermag die Essenz der Musik ihre volle Kraft entfalten zu können. Es gibt viele „unplugged“-Scheiben, aber nur die wenigsten sind Kraftzentren wie dieses. Noch Jahrzehnte nach der Aufnahme flasht mich „Cuts like a knife“ komplett, weil es fein austariert ist zwischen dem Notwendigen und der Fülle an Möglichkeiten, die die eingespielte Adams-Family weglässt. Das Wesentliche auf den Punkt gebracht, nicht spärlich, sondern ehrlich. Und ehrlich währt, nun denn, wissen wir ja alle …

So ehrlich wie Bryan Adams selbst, der als Fotograf eine Zweitkarriere hinbekommen hat, die nicht zu verachten ist. Damals, ich noch auf dem Schiller-Gymnasium von Mathe und Chemie schwer geschwächt, er bereits Weltstar, empfand ich ihn als supersympathischen Typen, der er bis heute offensichtlich geblieben ist. Kein Kriecher, keiner dieser Lutscher, die einem täglich über Wege laufen, die man hätte nicht einschlagen sollen, sondern einer, der seinen Stiefel durchzieht und von dem überzeugt ist, was er tut, solange es gut ist. Und es ist gut, es ist mehr als das. Denn in der Tat spielt Bryan Adams „Cuts like a knife“ auch ohne Band, nur mit Gitarre, Luft und Spucke – eine ganze Tour lang.

Warum das funktioniert? Weil er immer noch die starken Konturen hat, für die ich ihn schon in den Achtzigerjahren mochte, und weil ich ihm immer noch abkaufe, was er von sich gibt. Diese Beseeltheit wünschte ich mir bei vielen anderen ebenso. Nicht nur bei Musikern.