Drei Alben sind keine riesige Sache; das musikalische Erbe einer Gruppe an der Menge ihrer Songs zu bemessen, ist aber ein Fehler, den wir Hörenden begehen. Es ist eine Gemeinheit deshalb, da wir allermeisten es ja nicht mal auf die Reihe kriegen, nur ein einziges Lied zu schreiben. Und wenn wir uns an One-Hit-Wundern ergötzen, die rascher verglühen als eine Zigarette, fragen wir ja auch nicht, was folgen wird, sondern nehmen diesen Stern als Freude schönsten Götterfunkens in uns auf. Bang! So trug es sich häufig zu in der NDW. Für alle nach 1985 Geborenen: Es bedeutet nicht Nieder-Deutsche Wurstgesellschaft, sondern Neue Deutsche Welle, die ziemlich durchgeknallt und rückblickend fraglos schlechter als ihr Ruf war. Aber einmalig!

Leichtigkeit, Wahnwitz und Extravaganz

Einige golden schimmernde Zacken hatte die blecherne Krone dieser zwischen schlagerhafter Leichtigkeit, subtilem Wahnwitz und gespielter Extravaganz erstaunlich simpel konstruierten Stilrichtung dennoch. Die Gruppe Ideal zündelte 1980 an ihrer Erfolgsrakete, indem sie im Vorprogramm von Barclay James Harvest vor 150 000 Zuschauern vor dem Reichstagsgebäude auftrat. Es war – nomen est omen – ideal. Ideal für das West-Berliner Quartett Annette Humpe, Ernst Ulrich Deuker, Frank Jürgen Krüger und Hans-Joachim Behrendt. Drei, vier echte Hits konnten sie verbuchen (darunter „Eiszeit“) und damit drei bis vier mehr als viele andere Künstler, die im Fahrwasser der NDW schneller jwd waren, als sie komponieren konnten.

„Monotonie“ kommt der typisch distanzierten Kühle des Genres, das sich in den Endsiebzigern aus einer Art German Punk und New Wave entwickelte, sehr, sehr nahe, und obwohl die NDW mehr als eine Stilrichtung bedeutete, sticht dieses Lied aus der Masse stilprägend hervor. Es fiel mir jetzt auf die Synapsen meines Langzeitspeichers, weil der Titel wie Bölkstoff für coronagepeinigte Gemüter ist. Den Menschen ist langweilig, so unendlich langweilig, alles ist so monoton. Kein Shopping, kein Fitnesscenter und alle Fenster längst geputzt. Das ist nicht ideal. Das hier ist Ideal:

Monotonie in der Südsee,
Melancholie bei dreißig Grad.
Monotonie unter Palmen,
Campari auf Tahiti,
Bitter Lemon auf Hawaii.

Die Strömung des Reggae hat die Band streifenfrei auf die Popscheibe gewienert. Erdende Orgelklänge hängen wie der Korb unterm steigenden Heißluftballon, dessen Auftrieb aus all den federleichten Begehren pustet, die im Fernweh geboren werden. Der Bass murmelt wie Wellenspiel in der Weite, vor der Promenade, wo wir am Tischchen eine rauchen und den Kir Cassis schlürfen. Die strukturierte Maserung der Melodie meuchelt mitnichten ihren Spannungsbogen, sondern untermalt genussvoll, worum es hier geht.

Annette Humpes Gesang ist köstlich wie Erdbeerbowle. Außerdem quellen aus dem songgemachten Reiseträumchen Soli für Gitarre und Schweineorgel hervor, was „Monotonie“ zu einem guten Popsong werden lässt. Es ist kein kurz knusperndes Häppchen der NDW, sondern eine originelle Mahlzeit, die noch fast vierzig Jahre nach dem ersten Aufköcheln sehr gut schmeckt und – als wenn wir es geahnt hätten – beweist, dass immer nur bedeutungsschwangere Zeilen in der populären Unterhaltung auch keine Lösung sind. Es ist und bleibt ein Spiel mit Emotionen und Träumereien.

Ich flieg‘ nach Hawaii,
(Wir sind auch dabei.)
Ich flieg‘ nach Tel Aviv
(Zum Minimaltarif.)
Ich flieg nach Eschnapur
(Dem Tiger auf der Spur.)
Ich flieg‘ nach Babylon
(Hotel mit Vollpension.)

Bikini, Bikini, Bikini.