Achtung, Premiere! Das gab’s in unserer Hi(t)story noch nie: einen Song auf Plattdütsch! Ihr ahnt es sicherlich – so viele Künstler kommen nicht infrage für diesen norddeutschen Dialekt: Ina Müller ist die Lady der Stunde! Gerade erst ist ihr neues Album „55“ erschienen und fast bis ganz nach oben an die Chartspitze geklettert – eine traumhafte Scheibe mit vielen nachdenklichen Liedern, aber natürlich auch Nummern zum Schieflachen. Was man vielleicht nicht von der Wahl-Hamburgerin erwartet: Balladen. Doch auch ruhige, romantische Seufzer-Songs kann sie! Einer der schönsten, wie ich finde, ist dabei „De Klock is dree“, erschienen auf ihrem plattdeutschen Album „Die Schallplatte – nied opleggt“ aus dem Jahre 2009.

„Du büst mi sofort opfulln – Twüschen all de Gesichter“ – mit diesen Zeilen beginnt diese tolle Ballade. „Du bist mir sofort aufgefallen – zwischen all den Gesichtern“. Wenn das keine Liebesbekundung ist, dann weiß ich auch nicht. Dazu gesellen sich unaufgeregte Gitarrenklänge und ein leiser Beat. Dafür sorgt Ina Müllers talentierte Band, die sie auch live seit vielen Jahren begleitet.

„Un du büst veel to jung.. over dat kümmert mi nich“ – singt sie weiter. Hm, um wen es sich da wohl handeln mag? „Und du bist viel zu jung..aber das kümmert mich nicht.“ So mancher wird wohl wissen, dass die Entertainerin seit einiger Zeit mit Singer/Songwriter Johannes Oerding liiert ist; die beiden trennen 16 Jahre. Rätsel gelöst.

Aber mal ehrlich: Überhaupt sollte Frau Müller mehr Platt singen! Selbst wer nicht oder nicht alles versteht, wird doch bestens unterhalten. Und ich habe manchmal das Gefühl, dass sie in ihrer Muttersprache noch mehr Gefühl rüberbringt. Wie sie selbst sagt, hat sie erst mit Beginn der Schulzeit Hochdeutsch gelernt beziehungsweise lernen müssen. Ich mag den Schnack von der Küste, obwohl auch ich nicht alles verstehe, vom Sprechen ganz zu schweigen. Aber ich habe mich damals sogar auf ein Ina-Müller-Konzert gewagt, das komplett auf Platt war. Die Tour fand statt unter dem Titel „Ina singt und schnackt op platt“ und machte im Sommer 2010 auch Station auf der Parkbühne in Hannover. Ich erinnere mich noch, dass sie zu Beginn das Publikum fragte, ob überhaupt jemand Platt kann, in unserer südlichen Region. Ich schätze, viele waren es wirklich nicht – was der Stimmung aber keinen Abbruch tat.

So ein Platt-Programm hat was. Ich hätte nichts dagegen, so etwas noch einmal zu erleben. Aber ich bin heutzutage gar nicht mehr so anspruchsvoll: Ein Live-Konzert, wie auch immer geartet, wäre so oder so der Himmel auf Erden! Ina Müller will die Bühnen der Republik wieder 2022 entern – dann aber auf Hochdeutsch.