Schelmisch steppt „Moondance“ ums Eck; ein Song wie aus der Hüfte geschossen, mit Anstand und Anspielung in gleichem Maße. Van Morrison, vor allem dem Folk und Rhythm’n‘Blues verschrieben, hatte diesen Song 1969/1970 – noch jung an Jahren, aber überreich an künstlerischem Potenzial – zwischen Soul und Jazz festgezurrt, was in jener Zeit sich erhebender Hard’n’Heavy-Bands und der im Funk schon behafteten bevorstehenden Discowelle mutig war. Mutig, weil: von gestern.

Piano plätschert wie das Wasser eines Rinnsals aus grüner Au in den Dorfbrunnen; dazu gesellt sich eine wie Lerchenfrühlingsgesang jubilierende Querflöte, und das besenweich gespielte Schlagzeug verleiht dem Viereinhalbminüter ein notwendiges Fundament, um alles Überraschende, das Morrison und Musikern herausplatzt, zu bündeln. Fetzen bisweilen, Fragmente und Schnipsel aus lauter Lust an dieser musikalischen Heldentat, die sie hineinfallen lassen, nicht vorhersehbar, aber kein Teil zu wenig. Daraus formt sich eine superstarke Textur!

Van Morrison ist ein Meister der Improvisation

Der Song ist leicht und fluffig, herausragend arrangiert, instrumentenreich und en detail von hoher Güte. Morrison, zeitweilen unterschätzt, ist ein Meister der Improvisation, stellt es hier unter Beweis, und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dass alle Beteiligten, ob Mit-Produzent, Tonmischer, Musiker oder der Chef himself, vor über fünfzig Jahren wenig Zeit damit verschwendet hatten, den zigsten Take dieser flotten Lotte aufs gleichnamige Album zu pressen, sondern den ersten und einzigen und einzig wahren, weil die Authentizität gegeben ist.

Es macht den Eindruck, live eingespielt worden zu sein, so endlos lebendig und hübsch auf mittlerer Flamme köchelnd. Morrison knödelt sich durch die Strophen, als wenn er, ein Belfast Child, noch gerade eben im Pub ein’n gehoben hätte. Letzter Rauch püstert aus Mund und Nase, verfliegt schwer und langsam im schallgedämmten Studio, steht in einer Luft zum Schneiden, da der Nordire schon am Mikro Silben und Sätze sortiert. Ein Pub kann’s bloß nicht gewesen sein, denn das Album, vom Musikmagazin Rolling Stone mal eben auf Nummer 66 der 500 besten Alben aller Zeiten (!) gehievt, wurde in den A&R-Studios in New York City aufgenommen. Egal, war ja auch nur so ein Gedanke.

Can I just have one more
moondance with you, my love?
Can I just make some more
romance with a-you, my love?

Wenn Van „Can I“ anstimmt, letzte Silbe wie Kuchenteig ausgerollt, rütteln die Sterne neuen Staub aus blankgeputztem Oktoberhimmel und Luna geht tanzen. Wie der Komponist das Saxofon einströmen lassen hat, ist groß, und bei Minute 2,35 – die Flöte durfte gerade schon glänzen – schäumt es fast frivol über, das golden schimmernde Teil, das Liedern Wärme zu schenken in der Lage ist. Auch diesem. Quirlig wuselt der Song um uns herum, macht den Tag zur Nacht, in der Laternen die Gehsteige für eng umschlungene Liebespaare ausleuchten, die Morrisons Frage aller Fragen gewiss gegenseitig mit ja beantworten. „Can I …?“ – Ja klar kannst Du, lass uns tanzen, tanzen unterm Zaubermond, der unsere Schatten, ob aus Sichel oder voller Brust, lüstern in die Dunkelheit zeichnet.

Das Übermaß an Emotion, das Morrisons „Moondance“ vermittelt, haut den stärksten Werwolf von den Tatzen. Der bissige Wildköter wurde erst viel später, in den Achtzigern, wieder übergriffig, als Michael Jackson statt „Moondance“ einen „Moonwalk“ hinlegte. Das war aber kein Song, sondern eine Turnübung.