Hameln-Pyrmont (ey / mes). Es wirkt wie ein Silberstreif am Horizont, wenn Florian Kastner, Obermeister der Dachdecker-Innung Hameln-Pyrmont sagt, dass es zurzeit gut aussehe mit dem Nachwuchs auf den Dächern von Stadt und Land. Woran das liege? Nun, „wir müssen uns weiterhin ins Gespräch bringen, in Schulen, auf Messen und überall dort, wo junge Menschen sind“, so der Obermeister. Dranbleiben und Interesse wecken. Der Erfolg gibt den Dachdeckern recht: In den heimischen Betrieben würden zurzeit in allen drei Ausbildungsjahren junge Kräfte geschult. Kann nicht jede Innung von sich behaupten.

Auch die Dachdecker standen vor gar nicht so vielen Jahren ohne Azubi da; ein Jahrgang ohne Freisprechung ist sicher ein Novum. Jetzt scheint das Interesse zurückgekehrt zu sein, nicht überall, aber zumindest überall dort, wo der Beruf zur Berufung werden könnte, weil er mit der Energiewende zu tun hat. Das vermelden landesweit die Handwerkskammern; in Niedersachsen seien im Vergleich zum Vorjahr wieder mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen worden. Mehr Lehrlinge, „die aufgrund des allgemeinen Fachkräftemangels beste Chancen haben, in ihren Ausbildungsbetrieben übernommen zu werden“, sagt Florian Kastner. Und man bedenke, wie groß dieses Feld ist: Mit 43 877 Auszubildenden werden im Handwerk in Niedersachsen mehr junge Menschen ausgebildet als in irgendeinem anderen Wirtschaftsbereich. Insgesamt umfasst das Handwerk 127 verschiedene Ausbildungsberufe!

Die gute Nachricht: Das Interesse an einer Ausbildung im Handwerk ist zumindest nach der Datenlage in Niedersachsen gestiegen; im Vergleich zum Vorjahr wurden 2023 fast sieben Prozent mehr Ausbildungsverträge geschlossen. Die schlechte Nachricht: Laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) gibt es in bundesweit mehr als 150 000 nicht besetzte Stellen im Handwerk, bei den Auszubildenden sehe es ähnlich düster aus.

Und auch in der Bäcker- und Fleischerinnung Hameln-Pyrmont sind rosige Zeiten längst passé – „gleichbleibend schlecht, wie in den vergangenen Jahren“, bedauert Obermeister Wilhelm-Hauke Bente die Entwicklung. Die Branche habe einfach ein Image-Problem, obwohl auf Bundes- und Landesebene schon „viel getan“ worden sei. So könnten zahlreiche Betriebe bereits Tagschichten anbieten und die Azubi-Vergütungen seien extrem angehoben worden.

Die Betriebe sind gefordert, sich intensiver zu bemühen

Nach Bente müssten aber auch die Betriebe selbst mehr tun, um Nachwuchs zu generieren, sich modern aufstellen zum Beispiel. „Man muss sich eben auch bemühen und mit den jungen Menschen vernünftig umgehen“, meint er. Gute Arbeitsbedingungen und Betriebsklima würden sich unter den Jugendlichen herumsprechen. Manche Betriebe hätten sich aber auch jetzt schon zum Positiven entwickelt – „beeindruckend!“, betont er.

Bessere Aussichten gebe es indes seit einiger Zeit im Elektrohandwerk. Durch voranschreitende Digitalisierung und die Energiewende „haben die jungen Leute gemerkt, wie viele Möglichkeiten es hier gibt“, meint Bente. „Technikberufe sind in“, nicht zuletzt durch gute Zukunfts- und Karriereaussichten. Siehe Textanfang: Zu diesen Gewerken, die modernste Technik installieren, gehören eben auch die Dachdecker, die nicht mehr nur klassisch Holzkonstruktionen für Dachstühle herstellen und Ziegel für Ziegel legen, nein, hier spielt mittlerweile auch das Anschließen von Solarthermie- und Fotovoltaikanlagen einschließlich elektrischer Komponenten auf Dächern und an Fassaden zum Portfolio der Betriebe.  Darüber hinaus unterstützen sie Besitzer und Eigentümer bei der energetischen Gebäudesanierung und führen entsprechende Maßnahmen, etwa den Einbau von Dämmschichten und Dampfsperrelementen, durch.

Ein Fazit grundsätzlich fürs Handwerk zu ziehen, ist denkbar schwierig. Bei 127 Berufen gibt es nach wie vor hier und dort einen deutlichen Mangel zu verzeichnen. Dabei sollte jedem jungen Menschen klar sein, dass ein reeller Handwerksberuf in der Tat den so oft erwähnten „goldenen Boden“ bedeuten kann. Nie waren die Chancen, mit guten Leistungen in der Ausbildung auch gleich als Geselle durchzustarten, besser als jetzt. Denn wo ein Mangel besteht, ist die Nachfrage bekanntlich hoch. Daran ändert sich in absehbarer Zeit ohne Zweifel nichts.