Weserbergland / Hannover / Gelsenkirchen / Berlin (ey). Die Rolling Stones sind auf „Sixty“-Tournee. Obgleich ihre Rock‘n‘Roll-Reise sie nicht nach Hannover führt, was sich fraglos viele Fans aus dem Weserbergland gewünscht hätten, sind die rollenden Steine dennoch total angesagt. Dass eine Band in diesem Rock’n’Roll-Zirkus 60 Jahre besteht, ist eben verdammt selten. „Und es ist erstaunlich, mit welcher Power sie das immer noch tut“, sagt Pablo Blaschke, beim heimischen Radiosender Radio Aktiv quasi der Rockmusik-Beauftragte.

„Ich habe sie 2003 live gesehen auf dem Expo-Gelände in Hannover. Sie waren gut, der Sound war‘s aber leider nicht“, erinnert sich der Radiomoderator und Musikkritiker, der übrigens großer Beatles-Fan ist „und nie diesen Unfug von entweder oder“ unterstützt hat. „Ich höre die Beatles unheimlich gerne, und die Stones aber auch. Und wer glaubt, dass die beiden Bands sich nie gemocht haben, irrt. Die Beatles haben den Stones sogar einen Song geschenkt, um ihre Karriere anzufachen.“ Zur Berliner Waldbühne, wo am kommenden Mittwoch ein Konzert der Rolling Stones stattfindet, fährt der Hamelner aber nicht. Zu teuer. Eintrittspreise zwischen 192 und 560 Euro – „das ist doch Wahnsinn und auch nicht gerechtfertigt“. Mit dieser Meinung steht Pablo Blaschke nicht alleine da; und wenn man bedenkt, dass sich die populäre Musik in den Sechzigern auch als Aufbegehren gegen das Establishment verstand, scheinen solche Ticketpreise in der Tat eine Ohrfeige für echte Fans zu sein.

Andererseits: Hunderttausende sind unterwegs, werden selbst zu rollenden Steinen, um die Stones zu sehen, zu hören, zu spüren. Rock’n‘Roll als Lebensgefühl. Mancher aus dem Weserbergland war und ist dabei. Am vergangenen Mittwoch spielte die Band in Gelsenkirchen, nun also in Berlin, danach zieht der Tross weiter quer durch Europa. In Paris waren Jagger, Richards und Band schon. Die Franzosen sind fast durchgedreht vor Glück; der Eiffelturm war am Abend des Konzerts knallrot angestrahlt worden, und die berühmte Stones-Zunge glühte hoch oben am Eisengerüst über der Stadt. Seht her, diese Metropole im Ausnahmezustand, die Götter der Stadionkonzerte sind da! Ein nahezu epochales Bild. Epochal, das ist ohne Übertreibung auch die Musik dieser Gruppe. Oder zumindest ihre Wirkung. „Die Jungs sind doch richtig klasse. Also, ich mag die. Tolle Musik, echte Stars, richtig cool“, sagt Udo Hanf. Der Frischgeflügel-Händler aus Minden, zweimal die Woche auf dem Hamelner Wochenmarkt vertreten, hatte den Spaß mitgemacht und auf Anfrage des HALLO fürs Foto eines der Tournee-Shirts (natürlich mit obligatorischer Stones-Zunge) übergestreift. „Guck mal, hier: 50 Jahre Rolling Stones“, sagt er. Das ist jetzt zehn Jahre her – und die sind immer noch unterwegs, „ist doch fantastisch“. Ist es!

Mirko Wiemann, Frontmann der erfolgreichen Hamelner Band Talkin‘ Wire, findet das auch. Warum Jagger, gerade erst am vergangenen Dienstag 79 Jahre alt geworden, sich das immer noch antut? „Der tut sich nichts an, der wird von dieser Welle der Begeisterung getragen, und das ist doch super“, sagt Mirko Wiemann. Womöglich sei es motivatorisch nicht einfach, „Satisfaction“ zum tausendsten Mal zu singen, „aber wenn Du die Begeisterung im Publikum spürst, dann bist Du voll da drin, dann macht es auch beim 1001. Mal Spaß“.

Die Welt dreht durch: Krieg in der Ukraine, Waffenlieferungen, Energiekrise, Umweltzerstörung, Waldbrände – aber solange die Rolling Stones auf Tournee sind, besteht irgendwie ja auch Hoffnung auf bessere Zeiten. Und wer weiß, vielleicht haben wir im Weserbergland ja doch noch Glück, vielleicht rollen die rockenden Steine ja doch noch mal nach Hannover. Gerne zum Normalpreis für unter 100 Euro pro Eintrittskarte …